期刊名称:Zeitschrift für Internationale Strafrechtsdogmatik
印刷版ISSN:1863-6470
出版年度:2009
卷号:2009
期号:8-9
出版社:Editors of ZIS
摘要:Wer, wie ich, als Strafrechtler in der Hoch-Zeit des bundes-
deutschen Liberalismus sozialisiert worden war und sein
Standbein nicht rechtzeitig in den Bereich der Strafverteidi-
gung verlagert hatte, hat seit mindestens einem Jahrzehnt
wenig Grund zur Freude gehabt. Denn die unablässige Aus-
dehnung des materiellen Strafrechts konnte er nur mit ohn-
mächtiger Kritik und ohne die in der Anwaltsprofession na-
heliegende klammheimliche Freude begleiten; die vom Ge-
setzgeber und dem BGH mit vereinten Kräften bewirkte
Ruinierung der strafprozessualen Verfahrensbalance wurde in
seinen Augen aus den gleichen Gründen durch die Etablie-
rung der lukrativen Absprachenpraxis nicht wirklich versüßt;
und mit der zunächst von den meisten verschlafenen, mitt-
lerweile aber umso rasanteren Europäisierung des Strafrechts
wie des Strafverfahrens wird ihm sogar nach und nach jenes
Objekt seiner wissenschaftlichen Begierde entzogen, dem er
einmal die besten Jahre seines Lebens gewidmet hatte. Hilf-
los musste er mit ansehen, wie Vernunft und Wissenschaft,
der deutschen Strafrechtsdogmatik allerhöchste Kraft, kaum
noch etwas zählten in einem hydraartig um sich greifenden
Neopositivismus, in dem die zumeist von den Innenministe-
rien dominierten, im Rat der EU versammelten Ministerialbü-
rokraten die gewählten Parlamente zu Lakaien degradieren,
deren Gesetze (welche die meist nur den Spielraum von
Schießscharten belassenden „Rahmenbeschlüsse“ der EU
gehorsam 1:1 umsetzen) von den in dieser schönen neuen
Welt sozialisierten „Europarechtlern“ in akribischem Gehor-
sam vermessen und von einem sich selbst (wenn auch ohne
solide demokratische Legitimation) als Motor der europäi-
schen Einigung begreifenden Gerichtshof gegen jedwede
demokratisch-revisionistischen Bedenken abgeschirmt wer-
den. Manch ein Beobachter mag einen mitleidigen Vergleich
mit Sisyphos, Cato oder Don Quijote angestellt haben, wenn
er die von einer kleinen Gruppe altliberaler Strafrechtler mit
mir als Sprecher über Jahre hinweg ebenso unablässig wie
ungehört wiederholte Forderung las, jedenfalls auf dem Ge-
biet der Strafrechtspflege die Gesetzgebung an eine vollstän-
dige demokratische Legitimation und die Respektierung der
im 19. Jahrhundert erkämpften Prinzipien des materiellen
Rechtsstaat zu binden1
. Dass eine derart naive Position von 2004, S. 4: „Jedenfalls das Strafrecht, bei dem es früher um
die physische Auslöschung und heute zumindest bei der Frei-
heitsstrafe um die Auslöschung der sozialen Existenz des
Bürgers geht, muss eine direkte demokratische Legitimation
durch Parlamentsgesetz vorweisen können.“ Schünemann,
StV 2005, 681 (684 f.): „Die gravierenden demokratischen
Defizite des europäischen Rechtssetzungsapparats werden
von dem sich dafür primär zuständig fühlenden Zweig der
deutschen Rechtswissenschaft bis heute mit dem klassischen
Inversions(Fehl-)Schluss gerechtfertigt, dass EG und EU kein
Bundesstaat seien und deshalb keiner direkten demokrati-
schen Legitimation bedürften – obwohl die allein maßgebli-
che materielle Frage lauten muss, ob die Kompetenzen, die
EG und EU an sich gezogen haben, so beträchtlich sind, dass
sie nur einem demokratisch unmittelbar legitimierten Parla-
ment anvertraut werden dürften, wie dies nun aber bei der
Strafgesetzgebung als dem Inbegriff der zerstörerischen
Macht des Staates seit der Geburtsstunde der Ideen der De-
mokratie und der Gewaltenteilung auf der Hand liegen soll-
te.“ Schünemann im – im Angesicht des EuGH-Präsidenten
gehaltenen – Eröffnungsreferat der den „AE II“ diskutieren-
den Konferenz von Thessaloniki, in: Ein Gesamtkonzept für
die europäische Strafrechtspflege, 2006, S. 61 f.: „Die im
sog. dritten Pfeiler durch den Vertrag von Amsterdam dem
Rat, also einem Gremium von Regierungsmitgliedern, zuer-
kannte Kompetenz zur Fassung von Rahmenbeschlüssen auf
dem Gebiet der Strafrechtspflege […] legt ebenso die Axt an
die Wurzel eines demokratischen Strafrechts in Europa wie
die vom Europäischen Gerichtshof in einer mit den Regeln
der richterlichen Rechtsfindung nicht mehr zu vereinbaren-
den Weise proklamierte Bejahung einer allgemeinen Annex-
kompetenz der EG auf dem Gebiet des Strafrechts. Dieses
unheilbare, in der europarechtlichen Diskussion viel zu lange
übersehene demokratische Defizit speziell im Strafrecht wird
von einer unzulänglichen inhaltlichen Beachtung der rechts-
staatlichen Erfordernisse begleitet […]“; schließlich vor dem
Unterausschuss „Europarecht“ des Rechtsausschusses des
Deutschen Bundestages, dem diese Gesichtspunkte bis dato
böhmische Dörfer gewesen waren und wohl weiterhin blei-
ben werden, Schünemann, KritV 2008, 6 f.: „Dass dieser
Grundsatz [scil. demzufolge die Angelegenheiten des Straf-
rechts durch den Gesetzgeber geregelt werden müssen, bei
dem es sich in einer Demokratie nur um das Parlament han-
deln kann] nur respektiert wird, wenn das Parlament über die
Strafgesetze in souveräner Freiheit befindet, ist eine analyti-
sche Aussage und deshalb unbestreitbar. Dass dies im Ver-
trag von Amsterdam bei Einführung der Rahmenbeschlüsse
in der sog. Dritten Säule missachtet und seitdem zumeist
übersehen (oder sogar geflissentlich ignoriert) worden ist,
ändert an der Wahrheit dieses Satzes so wenig wie der Jahr-
tausende alte Irrglaube an das ptolemäische Weltbild den
Kreislauf der Erde um die Sonne hinwegzueskamotieren
vermochte.“